Antrag an die Kreismitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bad Kissingen

Jetzt vor Ort handeln, um die Klimakrise abzuwenden

Grundsatzbeschluss zur Energiewende im Landkreis Bad Kissingen

Kernforderungen:

  • Ziel: Hundertprozentige Deckung des Energiebedarfs des Landkreises Bad Kissingen aus im Landkreis bereit gestellten Erneuerbaren Energieträgern bis 2030 durch Senkung des Energiebedarfs und Ausbau der Erzeugungskapazitäten.
  • Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgabe annehmen
  • Verabschiedung eines Klimaschutzkonzepts mit messbaren Zwischenschritten
  • Stärkere Steuerung der Standortauswahl für Wind und Freiflächen-PV anhand der Kriterien des bestmöglichen Arten- und Naturschutzes, frühzeitige Einbeziehung von Kommunen und Bevölkerung

Warum wir handeln müssen:
 

Die Folgen der drastischen globalen Erwärmung sind in unserem Landkreis angekommen. Starkregenereignisse haben zugenommen. Mehrere extrem trockene Jahre haben die Wälder enorm geschädigt. Die Wasserversorgungsbilanz der Regierung von Unterfranken warnt vor dem Trockenfallen von Quellen in den unterfränkischen Mittelgebirgen wie der Rhön. Schon die bisherige Temperaturerhöhung stellen Landwirtschaft und Weinbau vor erhebliche Probleme. Wenn keine Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, prognostiziert der Klimareport Bayern 2021 einen Anstieg der Durchschnittstemperatur in Bayern um 4,8 Grad gegenüber dem Zeitraum von 1971 bis 2000.

Die Weltgemeinschaft kann die in Paris eingegangene völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung möglichst 1,5°C nicht zu überschreiten, nur noch erreichen, wenn es spätestens ab 2030 keine Treibhausgasemissionen gibt und gleichzeitig große Mengen Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen werden, was mit Humusaufbau und Aufforstungen auch gelingen kann. Der Landkreis Bad Kissingen muss sich mit seinen Aktivitäten an diesen zwingend vorgegebenen Notwendigkeiten orientieren.

Warum wir im Landkreis Bad Kissingen voran gehen müssen

Es ist unabdingbar für die Zukunft unserer Kinder und Enkel, dass Deutschland dieses Ziel der Klimaneutralität so schnell wie möglich erreicht. Damit dies gelingt, müssen Landkreise und Kommunen vorangehen, besonders diejenigen mit günstigen Bedingungen für die Energiewende. Denn in Regionen mit wenig Fläche und energieintensiver Wirtschaft wird der Ausstieg aus fossiler Verbrennung länger dauern. Das Ziel des Pariser Klimaabkommens kann nur erreicht werden, wenn die, die dazu in der Lage sind, darüber hinausgehen. Unser Landkreis gehört dazu.

Null Emissionen im Landkreis Bad Kissingen bis 2030 sind machbar

Im Frühjahr 2020 haben Berechnungen des ehemaligen Kreisrats Norbert Schmäling und eine vertiefte Studie der Energy Watch Group, deren Präsident der frühere Kreisrat und ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell ist, ergeben, dass eine vollständige Versorgung aller Sektoren, also des Energiebedarfs für Wärme, Verkehr, Haushalte und Gewerbe und Industrie mit im Landkreis Bad Kissingen gewonnener Energie aus erneuerbaren Quellen machbar und wirtschaftlich ist: https://energywatchgroup.org/100-erneuerbare-energien-im-landkreis-bad-kissingen

Die Einsparung von Energie ist dabei genauso unerlässlich wie der Ausbau der Kapazitäten für Erneuerbare Energieträger. Die Sanierung der Bestandsbauten, ein deutlich sparsamerer Umgang mit Flächen, eine Unterstützung beim Umrüsten auf sparsame Technologien sind wesentliche Instrumente der Energieeinsparung und müssen in einem Klimaschutzmaßnahmenplan konsequent angegangen werden. Auch die Verkehrswende bedeutet mehr als den Ersatz von Autos mit Verbrennungsmotor mit solchen mit Elektroantrieb. Wir brauchen eine Verkehrswende, die die Abhängigkeit vom eigenen Auto insgesamt verringert. Auch hier hat der Landkreis als Aufgabenträger für den öffentlichen Nahverkehr wesentliche Handlungsmöglichkeiten.

Artenschutz und Klimaschutz gehören zusammen

Die Errichtung insbesondere von Windkraft- oder Freiflächenphotovoltaikanlagen führt zu Konflikten. Sie bedeuten Eingriffe in Natur und Landschaft. Unsere Wälder sind wegen des bereits drastisch spürbaren Klimawandels geschwächt. Daher sind die Vorbehalte gegen Windanlagen in Wäldern groß, durch die weitere Schäden befürchtet werden. Daher müssen wir dringend sämtliche Dachflächenpotenziale nutzen, um die Eingriffe in Freiflächen und Natur auf das unabdingbar Notwendige zu beschränken. Gleichzeitig ist klar: Ohne einen möglichst schnellen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas werden wir unsere Wälder ganz verlieren. Die richtige Antwort ist daher, den Schutz von Arten und Wäldern nicht erst auf Ebene des konkreten Projekts zu fördern, sondern innerhalb des Klimaschutzkonzepts Leitlinien mit allen relevanten Akteuren, etwa den Naturschutzverbänden uns dem Bauernverband, für einen möglichst flächen- und naturschonenden Ausbau der Kapazitäten zu entwickeln.

Solche Leitlinien könnten beispielsweise für die Errichtung von Windrädern im Wald enthalten:

  • Meidung bzw. Ausschluss von Waldflächen mit altem und artenreichen Laub- und Laubmischbeständen oder solcher mit einem hohen Anteil an Höhlenbäumen;

  • vorrangige Nutzung von Kalamitätsflächen;

  • möglichst geringe Flächen- und Waldinanspruchnahme sowie Eingriffsminimierung durch frühzeitig optimierte Standortwahl und möglichst kurze Zuwegungen bzw. Nutzung bereits vorhandener Wege;

  • Minimierung von Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt, zum Beispiel durch

  • eine sorgfältige Umweltbaubegleitung während der Errichtung der Anlage usw.

Auch für den besonderen Schutz von Vögeln und Fledermäusen haben die Naturschutzverbände Vorschläge erarbeitet, die in Leitlinien für den Landkreis Bad Kissingen verankert werden können. Mit einer systematischen Standortplanung innerhalb der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete des Regionalplanung können aus dem großen technischen Potenzial für Wind die Standorte ermittelt, die die Aspekte Ertrag und damit Beitrag zum Klimaschutz und zur Energieversorgung sowie Schutz von Natur und Bevölkerung am besten verwirklichen. Um Freiflächenphotovoltaik mit dem Ziel des Erhalts landwirtschaftlicher Flächen zu verknüpfen, könnte die gezielte Nutzung der Agrophotovoltaik gefördert werden. Die Potenziale für die CO2-freie, grundlastfähige Wasserkraft können mit einer Gewährleistung der Durchgängigkeit für Wasserlebewesen gesichert werden. Auch die zukünftige Rolle der Biomasse für die Energieversorgung im Landkreis muss neu überprüft werden: Gerade wegen der kritischen Lage, in der sich unsere Wälder befinden, ist etwa der weitere Ausbau der Primärnutzung von Holz als Brennstoff keine Zukunftsperspektive. Für die Umstellung der Wärmeversorgung brauchen wir dringend andere Konzepte. .

Starre Regelungen wie die bayerische 10-H-Abstandsregelung drohen solche guten Lösungen eher zu verhindern. Diese Regelung wird weder dem tatsächlichen Bedarf an Schutz der Bevölkerung vor Ort noch den Belangen des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes gerecht. Am besten wäre es, die 10-H-Regelung zu streichen. So lange jedoch Bayern an dieser Regelung festhält, brauchen wir im umso mehr ein Konzept die beste Nutzung der verschiedenen Standortmöglichkeiten und müssen die Kommunen bei Projekten unterstützen und Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbeziehen.

Bürgerinnen und Bürger und Kommunen mitnehmen

Wir wollen Klimaschutz und Energiewende mit den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen des Landkreises Bad Kissingen gemeinsam gestalten. In den vergangenen Jahrzehnten gab es bereits viel Engagement von ihnen: In Bürgerenergiegenossenschaften, bei der Installation eigener PV- und Solarthermieanlagen, Kleinwasserkraftanlagen oder der energetischen Sanierung von Gebäuden, beim Aufbau von Biogasgenossenschaften oder durch die Initiative des Bund Naturschutz „Macht die Dächer“ voll.

Die Bereitstellung öffentlicher Gebäudeflächen für Bürgersolargesellschaften, das Pooling der perspektivisch aus dem EEG laufenden Altanlagen durch die Stadtwerke sind nur Beispiele für eine Energiewende, die Geld aus der Region in der Region hält und von der sowohl die kommunalen Haushalte als auch die Bürgerinnen und Bürger profitieren können.

Die Entwicklung eines landkreisweiten Idealverfahrens für die Errichtung von Windkraft- und PV-Freiflächenanlagen, in dem die Lehren aus den positiven und negativen Beispielen der vergangenen Jahre gezogen werden, unterstützt die Gemeinden und reduziert Konflikte. Die Definition klarer Ausbauziele erleichtert es Bürgerinnen und Bürgern, den Weg mitzugehen und die Energiewende als ihre Energiewende mitzutragen. Wir wollen eine Energiewende, von der die Menschen vor Ort und die Kommunen auch wirtschaftlich profitieren. Deshalb wollen wir auch diskutieren, ob wir Konflikte dadurch verringern können, dass wir die Einnahmen aus solchen Anlagen fair verteilen.

Energiewende und Anpassung an den unvermeidbaren Klimawandel sind kommunale Pflichtaufgabe

Wir müssen ein Konzept entwickeln, wie wir für den nicht mehr vermeidbaren Temperaturanstieg in der Region besser vorsorgen. Auch hier gehen viele bereits voran, etwa mit dem Humusaufbau in der Landwirtschaft. Als Landkreis sollte es unser Ziel sein, den Humusanteil in den landwirtschaftlichen Böden zu verdoppeln und ein offensives Aufforstungsprogramm, insbesondere in Wahlschadensflächen, zu starten, um einen höheren Beitrag für die Kohlenstoffsenkung zu leisten.

Wir benötigen aber auch Vorkehrungen für ein besseres Wassermanagement, etwa den Einbau von Zisternen. Außerdem braucht es vermehrte Wasserrückhaltung in der Landschaft zur Hebung des Grundwasserspiegels.

Wir müssen zusätzliche Risiken für Schäden durch Starkregenereignisse dringend vermeiden. Dafür bedarf es vor allem eines deutlichen Rückgangs der Flächenversiegelung. Wir fordern, zu einem sparsamen Umgang mit Fläche zurückzukehren und die Ausweisung neuer Verkehrs- und Siedlungsflächen deutlich zu reduzieren.

Energiewende und Klimaanpassung sind eine langfristige Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte. Dafür müssen auch in unseren Verwaltungen die nötigen Stellen mit dem erforderlichen Knowhow geschaffen werden. Fördermittel sind hilfreich, aber davon darf die Annahme dieser Überlebensaufgabe nicht abhängig gemacht werden. Die zu erwartende Wertschöpfung für die Kommunen des Landkreises durch Gewerbesteuereinnahmen und für die lokale Wirtschaft macht die Investition in ein Klimamanagement des Landkreises zu einer Investition in die Zukunft. Perspektivisch ist daher die Ausweitung auf ein Klimaschutzreferat im Landkreis sinnvoll. Insbesondere für die Beratung der Bürgerschaft zu klimagerechtem Handeln soll der Landkreis die Einstellung von Klimaschutzmanagern in jeder Kommune unterstützen.

Diese Website basiert auf TYPO3 GRÜNE, einem kostenlosen TYPO3-Template für alle Gliederungen von Bündnis 90/Die Grünen