30 Jahre bei den Grünen: Interview mit Dr. Manuela Rottmann

Mit Eintrittsdatum zum 01.01.1991 wurde unsere Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann Mitglied des Kreisverbands Bad Kissingen, der Partei, die damals noch schlicht „DIE GRÜNEN“ hieß. Zu stattlichen 30 Jahren Mitgliedschaft haben wir ein kleines Interview mit ihr geführt.

Manuela, Du bist zum Jahreswechsel 1991 Mitglied im Kreisverband der GRÜNEN Bad Kissingen geworden. Damals warst Du noch Schülerin in Hammelburg. Wie kam es dazu?

Ende der achtziger Jahre herrschte überall in Deutschland der Müllnotstand, weil die Deponien die Massen nicht mehr fassen konnten. Im Lager Hammelburg sollte eine Pyrolyse-Anlage gebaut werden, um dort Müll zu verbrennen. Das bayerische Volksbegehren „Das Bessere Müllkonzept“ hat dann den Anstoß für die Mülltrennung gegeben, wie sie heute für uns selbstverständlich ist. Die Pyrolyse-Anlage in Hammelburg kam nicht. Ende der achtziger Jahre waren aber auch Ausländerfeindlichkeit und Gewalt gegen Zuwanderer leider schon ein Thema, das mich sehr beschäftigt hat. Auch bei uns im Landkreis haben sich die Republikaner gegründet. Es gab also jede Menge Gelegenheiten, Menschen zu treffen, die sich für Umweltbelange, gegen die Atomenergie, gegen Rechtsextremismus eingesetzt haben. Dazu gehörten auch Mitglieder der Grünen Partei. Bei der Bundestagswahl 1990 kurz nach der Wiedervereinigung durfte ich zum ersten Mal selbst zur Wahl. Die GRÜNEN hatten damals plakatiert „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“ und wollten damit für eine entschiedene Klimaschutzpolitik werben. An der Stimmung im Land ging das damals komplett vorbei. Die GRÜNEN in Westdeutschland sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und waren nicht mehr im Bundestag vertreten. Rund um Hammelburg haben dann ein paar Leute, zum Beispiel Volker Partsch, heute noch mein Kollege im Kreistag, gesagt: „Jetzt erst recht. Wir gründen den Grünen Ortsverein wieder neu.“ Die haben bei mir genau den richtigen Nerv getroffen. Und so habe ich kurz nach der verlorenen Bundestagswahl den Mitgliedsantrag unterschrieben. Mir waren die Anliegen Klimaschutz, Gleichberechtigung und Demokratie zu wichtig, um sie aufzugeben.

Wie war das damals mit den GRÜNEN auf dem Land? Wäre für Dich auch eine andere Partei in Frage gekommen?

Na, wir waren schon die Underdogs. Wir waren ja auch stark in der Friedensbewegung verwurzelt. In einer Region, die damals noch viel mehr als heute von der Bundeswehr und auch von den Standorten der US-Armee geprägt war und auch gelebt hat, sahen uns viele sehr kritisch. Wir wollten raus aus der Atomenergie – und Grafenrheinfeld stand direkt vor der Tür. Wenn man sich zu den GRÜNEN bekannt hat, musste man schon einiges einstecken: „Grüne Spinner!“ war da noch harmlos. Zu den GRÜNEN zu gehen – dazu gehörte Widerstandsgeist und Trotz. Wenn man eine politische Karriere im Sinn hatte, waren DIE GRÜNEN definitiv die falsche Partei. Mein Opa war langjähriges CSU-Mitglied, ein glühender Anhänger von Franz Josef Strauß, auch sonst war die CSU in meiner Familie die erste Wahl. Für mich kam die CSU aber überhaupt nicht in Frage. An denen fand ich alles falsch: Politik, Personal und vor allem diese Übermacht, dieses Autoritäre. Vielleicht hätte ich noch zur alten FDP gepasst – zu Sozialliberalen wie Gerhard Baum oder Hildegard Hamm-Brücher. Aber diese FDP war mit dem Eintritt in die Regierung Helmut Kohls Geschichte und ist seither auch nicht wieder auferstanden. Zur SPD hatte ich keine größeren Berührungspunkte. Und mir war die Ökologie sehr wichtig. Da kamen nur die GRÜNEN in Frage.

Hast Du in den dreißig Jahren auch mal darüber nachgedacht wieder auszutreten?

Aber natürlich! Viele Leute sagen ja, sie könnten nicht in eine Partei eintreten, weil sie mit keiner hundertprozentig übereinstimmen. Ich sehe das anders: Wenn jeder nur dann in eine Partei geht, wenn er mit der immer vollkommen überein stimmt, dann bräuchten wir in Deutschland 83 Millionen Parteien. Dann wäre zwar jeder mit sich selbst vollkommen im Reinen, aber voran kämen wir damit nicht. Demokratie bedeutet, um den richtigen Weg zu ringen und sich mit anderen Menschen zu einigen. Trotzdem gibt man mit dem Eintritt in eine Partei ja nicht seinen eigenen Kopf und seine Überzeugungen auf. Man braucht schon die Bereitschaft, sich die Argumente der anderen anzuhören. Weil es um Überzeugungen geht, wird man dabei auch schon mal zornig und überlegt, alles hinzuschmeißen. Gerade bei schwierigen Themen verändert sich die eigene Ansicht aber auch im Zuge solcher Debatten. Man wird klüger. Und selbst, wenn man mal unterliegt: Ich hatte nie das Gefühl, dass die Auseinandersetzung sinnlos war. Manchmal wurden immerhin die Argumente der Gegenseite besser. Gar nicht so selten habe ich mich später dann doch noch durchgesetzt. Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich bei den GRÜNEN nichts mehr bewirken kann, dann wäre es vorbei. Nach dreißig Jahren sehe ich aber, dass es sich gelohnt hat, dabei zu bleiben.

Wie siehst Du die Entwicklung des Kreisverbands Bad Kissingen in den letzten dreißig Jahren?

Ich hätte mir vor dreißig Jahren Wahlergebnisse nicht träumen lassen, wie wir sie bei den letzten Wahlen im Landkreis Bad Kissingen hatten. Seit der Kommunalwahl gibt es Stadt- und Gemeinderatsfraktionen auch in Maßbach, Münnerstadt, Bad Bocklet oder Bad Brückenau, die schon viel bewegt haben. Viele ganz unterschiedliche, interessante Leute stoßen als Mitglieder neu dazu und packen mit an, haben Ideen. Wir haben den Ausstieg aus der Atomenergie erreicht, vor dreißig Jahren kaum vorstellbar. Dass wir letztes Jahr die Hälfte unseres Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen bezogen haben, das hat viel mit den Bad Kissinger GRÜNEN zu tun. Das Erneuerbare Energien-Gesetz wurde von Hans-Josef Fell entwickelt und durchgesetzt. Wir haben natürlich noch unglaublich viel zu tun. Vor allem beim Klimaschutz waren die letzten fünfzehn Jahre verlorene Jahre. Aber die Erfahrung der letzten dreißig Jahre gibt mir das Vertrauen, dass wir auch das schaffen können.

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