Vor 20 Jahren hat sich die die Grüne Jugend Bad Kissingen (GJBK) gegründet. Du warst eines der Gründungsmitglieder. Was hat Dich damals bewegt mitzumachen?
Tobias Eichelbrönner: Damals war ich schon einige Jahre politisch bei Greenpeace aktiv. So viel Spaß mir die Aktionsformate bei Greenpeace gemacht haben, so sehr hat mir damals die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen gefehlt. Zum Beispiel hatte Greenpeace die Jahre davor intensiv für ein Verkehrskonzept rund um den SmILE geworben, ein umgebauter Renault Twingo, der eine Verbrauchsreduzierung auf etwa 3 Liter/100 km versprochenen hat. Das ist, wenn ich mir den SUV-Trend ansehe, auch heute noch fortschrittlich. Zur gleichen Zeit hat sich der grüne MdB Hans-Josef Fell aus Hammelburg schon für Elektromobilität eingesetzt. Das hat mich deutlich mehr angesprochen. Bei Greenpeace haben mir aber die Möglichkeiten gefehlt, bei den Kampagnen und deren Zielen inhaltlich mitzudiskutieren. Bei den GRÜNEN und deren Jugendorganisation hat mir von Anfang an gefallen, dass ich dort jederzeit genauso viel und genauso wenig zu einem Thema sagen kann wie alle anderen. Egal welche Funktion sie haben.
Was war Dein größter Erfolg in Deiner Zeit bei der Grünen Jugend?
Tobias Eichelbrönner: Innerhalb weniger Jahre haben wir es geschafft, fast 30 Mitglieder in Bad Kissingen zusammenzubekommen. Zwischendurch waren wir nach München und Erlangen der drittgrößte Kreisverband der Grünen Jugend in Bayern. Und das im konservativen und ländlichen Bad Kissingen! Wir durften sogar in einem Jahr den Landesjugendkongress, also die Mitgliederversammlung, ausrichten.
Unser Erfolgsrezept war vermutlich, dass wir neben den Debatten immer auch Aktionen zum Mitmachen angeboten haben. Am Jahrestag von Tschernobyl haben wir zum Beispiel mal den ganzen Nachmittag in Bad Kissingen Jodtabletten verteilt und dann in der Nacht ein 30qm großes Banner „Atomkraft Nein Danke!“ an einen Berghang bei Langendorf gehängt, so dass es von der Autobahn aus zu sehen war.
Leider hat von den 30 Leuten gerade mal zwei Jahre später keine einzige Person mehr im Landkreis Bad Kissingen gewohnt. Das ist häufig das Schicksal politischer Jugendorganisationen auf dem Land. Wenn ich mir aber ansehe, was viele dieser Leute später an Karrieren – auch in der Politik –gemacht haben, freut mich das immer sehr.
Was war Deine größte Enttäuschung in Deiner Zeit bei der Grünen Jugend?
Tobias Eichelbrönner: Das Thema ist sogar wieder aktueller denn je. Ich habe mich in meiner Zeit bei der Grünen Jugend intensiv dagegen eingesetzt, dass in meiner Heimatstadt Hammelburg mit einer Anlagensatzung versucht wird, das öffentliche Leben streng zu reglementieren. Ich will hier nicht alle Argumente wiederholen. Zusammengefasst halte ich die Motivation hinter den Regelungen damals wie heute für unehrlich und für einen falschen Ausdruck von Misstrauen, gerade gegenüber jungen Menschen.
Meine größte Enttäuschung war noch nicht einmal, dass wir uns nicht gegen einen gesellschaftspolitisch konservativen und ängstlich illiberalen Stadtrat durchsetzen konnten. Enttäuscht hat es mich, dass damals die Mainpost, nachdem meine zweite Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen die Satzung in großen Teilen abgewiesen wurde, daraus die Schlagzeile gemacht hat „Die Anlagensatzung ist rechtens“.
Das hat mich aus zwei Gründen sehr enttäuscht. Erstens, weil die Ablehnung gar nicht mit der Rechtmäßigkeit der Satzung begründet wurde, sondern damit, dass mir ja der reguläre Klageweg offen gestanden hätte. Dass die Zeitung die Begründung so verdreht hat, fand ich sehr traurig. Der Verweis des Landratsamts auf den Klageweg war der zweite Grund. So ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht oder sogar dem Bayerischen Verfassungsgericht ist teuer und zeitaufwendig. Ich habe großen Respekt vor dem Studenten, der eine fast gleichlautende Satzung in Freiburg gerichtlich zu Fall gebracht hat. Dieses finanzielle Risiko muss man erst mal bereit sein einzugehen. Heute, da ich die finanziellen Mittel hätte, juckt es mich immer wieder mal in den Fingern, meinem jüngeren Ich die Genugtuung zu verschaffen und noch einmal gegen die Verordnung zu klagen. Insgeheim hoffe ich seit Jahren, dass ich mal einen Bußgeldbescheid bekomme und ihm widersprechen kann. Ich wäre dann gespannt, ob die Stadt sich überhaupt traut, das Geld vor Gericht einzuklagen.
Was würdest Du jungen Menschen in der Politik mit auf den Weg geben wollen?
Tobias Eichelbrönner: Politik macht viel Spaß. Gerade Parteipolitik ist besser als ihr Ruf es häufig ist. So viel formal abgesicherte Demokratie wirst Du in kaum einem Verband oder einer losen Gruppe finden. All die Versuche von NGOs oder zum Beispiel bei den Piraten, eine noch bessere Basisdemokratie zu etablieren, enden meiner Ansicht nach in Strukturen, die denjenigen mit Abstand die meiste Macht geben, die bereit sind, mehr Zeit zu investieren und dazu auch die nötigen Mittel haben. Also eine Aktivendemokratie.
Mein wichtigster Rat ist: Versuche, Dir immer auch ein Leben neben der Politik zu schaffen und zu halten. Im Beruf, in Vereinen, mit Freunden und mit Familie. Nur wenn Du unabhängig von der Politik bist – und dazu zähle ich sowohl finanzielle als auch emotionale Unabhängigkeit – kannst Du Entscheidungen treffen, die Du nur mit dem eigenen Gewissen ausmachst. Frag Dich immer ganz ehrlich: wäre ich bereit und in der Lage, morgen aufzuhören, wenn ich Dinge vertreten soll, hinter denen ich nicht stehe?
Tobias Eichelbrönner war 2001 Gründungsmitglied der Grünen Jugend Bad Kissingen und bei der GRÜNEN JUGEND ein Jahr im Landesvorstand als Beisitzer, im Koordinationsteam für die Kommunalwahlen 2002 und durfte später zahlreiche Landesversammlungen als Präsidiumsmitglied leiten. 2003 ist er auch den GRÜNEN beigetreten. Zwei Jahre hat er den Landesverband der GRÜNEN als Delegierter im Länderrat vertreten. Er war mehrere Jahre Redakteur beim Mitgliedermagazin der Nürnberger GRÜNEN. Heute ist er Sprecher des Kreisvorstands der GRÜNEN in Bad Kissingen und vertritt als Kreistagsmitglied die Fraktion unter anderem im Kreisausschuss.